Vorherige   Season 5   Nächste

095. Die Drohne



Allgemeines
Originaltitel Drone
Produktionsnummer 196
Erstausstrahlung USA 21.10.1998
Erstausstrahlung BRD 08.04.2000
 
Regie Les Landau
Drehbuch Bryan Fuller, Brannon Braga & Joe Menosky
Story Bryan Fuller & Harry Doc Kloor
 
Story
Während der Beobachtung der Spontanbildung eines Protonebels wird ein Shuttle der Voyager in den Sog des expandierenden Nebels gezogen, so daß die Insassen - Seven of Nine, Tom Paris, der Doktor und B'Elanna - per Nottransport zur Voyager zurückgebeamt werden müssen. Durch eine kurzzeitige Verschmelzung der Muster wird dabei unbemerkt der portable Emitter des Doktors mit Borg-Nanosonden von Seven infiziert. Während B'Elanna eine einfache Funktionsstörung vermutet und den Emitter zur Analyse im wissenschaftlichen Labor zurückläßt, haben die Sonden die Hardware aus dem 29. Jahrhundert schon assimiliert und beginnen in der Nacht, auch daß Labor anzupassen. In Kombination mit einer DNA-Probe eines unglücklichen Lieutenants entsteht aus den Nanosonden eine neue, den Borg des 24. Jahrhunderts weit überlegene Drohne in einer im Labor errichteten Borg-Reifungskammer. Sollte die Drohne ins Kollektiv assimiliert werden, würde dieses zu einer noch größeren Bedrohung werden, so daß Captain Janeway entscheidet, die Drohne zu einem Individuum zu erziehen. Seven of Nine soll ihr die moralischen Werte und Individualität der Menschen vermitteln, eine Aufgabe, die sie anfangs nur widerwillig annimmt, die sie mit zunehmendem Fortschritt der "One" getauften Drohne aber mit Stolz und Freude erfüllt ...
 
Darsteller
One J. Paul Boehmer
Lt. Mulchaey Todd Babcock
 
Bewertung
"Die Drohne" - eine sehr tiefgründige Episode mit vielen stillen, hervorragend in Szene gesetzten Momenten - behandelt ein für Star Trek geradezu klassisches Thema: die Erziehung eines außerirdischen "Kindes" gemäß den menschlichen moralischen Werten und Regeln mit unvorhergesehenen Konsequenzen.
Es ist ein Thema, das schon oft zur Sprache kam, z.B. in
[TNG] Ich bin Hugh, in der parallel zu dieser Episode ebenfalls ein junger Borg die Fürsorge der Schiffscrew erfuhr und erfolgreich den Wert der Individualität beigebracht bekam, oder [TNG] Datas Nachkomme, in der Data mit dem Androiden Lal einen Nachkommen erschuf, dem er seine Sicht der Welt vermitteln konnte. Ähnlich wie in beiden Beispielen hält aber auch in "Die Drohne" die leichte, oft komödienhafte Atmosphäre nicht an - der letztendlich tragische Ausgang erscheint schon frühzeitig unausweichlich, insbesondere aufgrund des Widerspruchs zwischen Borg-Herkunft und menschlichem Geist. Lange schon hat keine Voyagerfolge mehr so eindrücklich den (psychologischen) Unterschied zwischen Borg und Menschen, zwischen kollektivem Agieren und individualistischen Handeln gezeigt wie "Die Drohne", auch wenn der Schwerpunkt hier eher auf der Charakterseite liegt - der Entwicklung und "Menschwerdung" von One (dt. "Der Erste") ebenso wie von Seven of Nine - und weniger auf dem moralischen Hintergrund, der mit dem Themenkomplex "Individuum" schon ausführlich in den Seven-of-Nine-Folgen der 4. Staffel behandelt wurde, welche gewissermaßen als Grundlage für die Entwicklung in dieser Episode dienen. Inzwischen hat Seven of Nine, die einst von Janeway aus dem Kollektiv gebracht wurde und von ihr den Wert des Individuums übernahm, einen Punkt in ihrer Entwicklung erreicht, in dem sie selbst unabhängig und erfahren genug ist ("Die Voyager ist jetzt mein Kollektiv"), um die Mutterrolle zu übernehmen. Überzeugt vom fortschreitenden Erfolg ihrer persönlichen Entwicklung, ist es ihr Bestreben, menschliche Gefühle zu erfahren, wie wir im Teaser im Spiegelbild ihrer Selbst erkennen. Doch diese sind nur gespielt, noch ist ihr Lächeln nur eine Maskerade. Dies sind nicht die unbewußten Gefühlsregungen, die wir in gewissen Situationen schon in Sevens Gesicht erblickt haben, ob nun in "Der schwarze Vogel" oder "Eine". Damals, und auch diesmal, wird ihre Entwicklung von außen stimuliert, und so hat die nicht gerade freiwillige Übernahme der Mutterrolle für One, der "zufälligen Konvergenz von Technologien", ungeahnte Folgen für Seven. One, der in seiner naiven Kindlichkeit ("Warum?") ein wenig an "Lal" erinnert, während die impulsiven Bewegungen und sein anfängliches Unverständnis für die Invidualität ("Wir sind Borg") dem Verhalten von Three of Five bzw. Hugh ähnelt, ist anfangs noch widerspenstig und wehrt sich gegen Sevens Versuche, ihm ihre Sichtweise, ihr Verständnis für das Menschsein zu vermitteln, so wie sie selbst sich nach ihrer Deassimilierung dagegen gewehrt hat. Doch als es ihr gelungen ist, einen persönlichen Kontakt zu ihm herzustellen, zeigt sich mehr und mehr der Erfolg ihrer Bemühungen. Seven macht aus "One" ein Musterbeispiel für Ehrlichkeit, Intrigität und Menschlichkeit. Ihr Stolz ist unverkennbar, als er ein schwieriges Problem für B'Elanna löst, sich bei ihr bedankt oder Janeway mit seiner Warmherzigkeit, die so gar nicht seiner äußeren Erscheinung, seinem Wesen als Borg entspricht, beeindrucken kann. So erreicht auch One bald den Punkt, an dem er seinen eigenen Willen, seine eigene Individualität entdeckt. Schnell hat die anfangs noch so geistlose, maschinenhafte Drohne erkannt: "Ich bin eine hochentwickelte Lebensform. Ich bin einzigartig." Die Entwicklung hin zur Selbstständigkeit beginnt schließlich mit Ones Wunsch, mehr über seine Herkunft zu erfahren, und ist abgeschlossen, als er (gegen Sevens Willen) entscheidet, sich gegen die Borg zu stellen und sein Leben für die Crew der Voyager zu opfern. Dieser wohl dramatischste mögliche Ausgang zeigt nicht nur Ones edelmütigen Charakter, sondern zugleich auch den Erfolg von Seven (als seine Lehrerin) mehr als deutlich, vor allem in Bezug auf ihre eigene Menschlichkeit, die doch so viel weiter entwickelt ist, als sie selbst erkannt hat: als One im Sterben liegt, scheint sie zu glauben, ihr "Projekt" wäre gescheitert, sie fordert ihn auf sich zu fügen, sich retten zu lassen. Doch sie hat durch ihn mehr gewonnen als sie durch seinen Tod verliert. Sie ahmt nicht länger Emotionen äußerlich nach, wie sie dies zu Beginn der Episode getan hat; längst hat sie eigene, für sie völlig neue Emotionen erfahren, von denen sie am Ende fast übermannt wird - Schmerz, Trauer, Entsetzen, Leid - dies sind wichtige Erfahrungen in Sevens Prozeß der Menschwerdung, die ihr bisher gefehlt hatten. "Sie werden sich anpassen" sind Ones letzte Worte. Der "tragische Rückschlag" ist nicht weniger bedeutend für Seven als der Erfolg, den sie zuvor durch die beispiellose Sozialisation einer programmierbaren, aber gefühlsleeren Hülle, halb Mensch, halb Maschine, erreicht hatte, eine Sozialisation, die aufgrund von Ones eindeutiger Identität und Herkunft weit weniger erfolgversprechend war als bei ihr. Der letztendliche Blick in den Spiegel zeigt: Ones Entwicklung hin zur Einzigartigkeit und Menschlichkeit hat auch Seven einen bedeutenden Schritt nach vorn gebracht. Auch wenn ihre Gefühle in diesem Moment von Trauer beherrscht sind, sind es doch echte Gefühle von bisher unerreichter Wirkungskraft. Alles ist allem ist "Die Drohne" also eine unbedingt sehenswerte  Episode mit großartigen schauspielerischen Leistungen, einer überzeugenden moralischen Grundlage in Form des Eintretens für Individualität sowie einer erstklassischen Umsetzung, was Regie und Produktionswerte anbetrifft - ein echter Klassiker und eines der Glanzlichter der ganzen Serie.
15.04.2000 / 20.01.2001

 
Zitate
Doktor: "Seven of Nine. Wie geht es meinem Lieblingsborg heute?"
Seven: "Ich bin verärgert. Zukünftig werden Sie ihre Anwesenheit ankündigen, bevor sie diesen Raum betreten."
Doktor: "
Es tut mir leid. Ich schätze, Ich hätte erst anklopfen sollen."

Seven: "Das ist kein Landurlaub. Wir werden keine Zeit für Freizeitaktivitäten haben."
Doktor: "
Die Borg - die Miesepeter der Galaxis."

Doktor: "Frisch aus den Federn, Lieutenant. Es ist 6 Uhr. Der frühe Vogel fängt den Gagh!"
Doktor (zu B'Elanna, die unbekleidet eine Schalldusche nehmen will): "Ich bin ein Doktor, aber doch kein Voyeur. Es ist nichts, was ich nicht schon früher gesehen hätte."
One: "Seven of Nine... Möchten Sie sich dem Kollektiv wieder anschließen?"
Seven: "Die Voyager ist nun mein Kollektiv."
One: "Ich sollte nicht existieren. Ich war ein Unfall - ein zufällige Konvergenz von Technologien."
Seven:
"Sie sind einzigartig."
One:
"Ich war nie dazu bestimmt zu sein. Solange ich existiere, sind Sie in Gefahr. Alles Leben auf der Voyager ist in Gefahr."
Seven:
"Sie müssen Sich fügen. Bitte."
One:
"Das werde ich nicht."
Seven:
"Sie verletzen mich!"
One: "Sie werden sich anpassen."
 
Logbuch
Logbuch des Captains, Nachtrag. Dieser Protonebel scheint einen eigenen Willen zu besitzen. Er dehnt sich noch immer aus, ohne das ein Ende in Sicht ist. Wir warten in sicherer Entfernung, um seinen Wachstum zu überwachen.
Tägliches Logbuch, Seven of Nine. Ich habe die linguistische Datenbank der Drohne aktiviert. Sie ist nun fähig, Informationen zu assimilieren. Eine direkte Neuralverbindung ist zu gefährlich. Deshalb habe ich entschieden, Borg Datenknoten zu verwenden.
 
Star Trek Datenbank
 
Background
Als Seven im Wissenschaftslabor den Borg-Fötus erblickt, sagt sie mit Unverständnis: "Die Borg assimilieren. Sie reproduzieren sich nicht auf diese Weise." Damit wird entgültig das ursprüngliche Bild der Borg, wie es in der allerersten Folge [TNG] Zeitsprung mit Q vermittelt wurde (Dort sahen wir eine Borg-Säuglingsstation, und Cmd. Riker mutmaßte, das die Borg wie wir als Humanoide geboren werden und anschließend Implantate eingesetzt bekommen), revidiert und ein Faktum bestätigt, das wir schon seit "Star Trek: Der erste Kontakt"   kennen: die Borg existieren als unabhängige Rasse eigentlich gar nicht, da jedes einzelne Mitglied in Wahrheit ein assimiliertes Mitglied einer anderen Spezies ist, und es eine Fortpflanzung zwischen einzelnen assimilierten Drohnen nicht gibt. Jedoch gibt "Die Drohne" einen Anhaltspunkt für die tatsächliche Funktion der Säuglingsstation in der TNG-Folge: es ist hier von "Borg-Reifungskammern" die Rede, in welchen sehr junge assimilierte Lebewesen einem beschleunigten Wachstum unterzogen werden, bevor ihre neuralen Bahnen neu geordnet und sie ins Kollektiv integriert werden. Der genaue Ablauf der Assimilation von Babys und Kindern wird übrigens in der sechsten Staffel in "Das Kollektiv" näher erläutert werden.
Die Entwicklungsphase von One bestätigt außerdem erneut eine spezielle Eigenschaft der Borg, die in der Doppelfolge "Skorpion" sehr eindeutig als zugleich ihre Stärke und Schwäche dargestellt wurde: Borg lernen und forschen nicht, sie assimilieren. One erste Schritte nach dem Verlassen der Reifungskammer umfassen die Neuprogrammierung, d.h. die Aufnahme von Informationen. Er ist aber nicht fähig, auf normalem Wege zu lernen und die Welt um sich herum zu erforschen, so daß er (ein kollektiver Geist steht ja nicht zur Verfügung) Informationen durch eine Neuralverbindung von Seven bzw. später aus Borgdatenknoten assimiliert.
Als ein typisches "Ein-Folgen-Besatzungsmitglied" tritt in dieser Episode der niemals zuvor erwähnte Lt. Mulchaey auf: er ist der Unglückliche, der von dem mit Nanosonden infizierten Holoemitter des Doktors angegriffen und um einige Zellen erleichtert wird. So gesehen ist "One" das Ergebnis einer Verschmelzung von Material des Doktors, von Seven und von Lt. Mulchaey ... Wie auch immer man dies bewerten mag, Mulchaey wird erst wieder gegen Ende der 6. Staffel, in "Der Spuk von Deck Zwölf" erwähnt werden. Erstaunlicherweise wird er vom Computer aber als "Fähnrich Mulchaey" identifiziert. Eine Degradierung wegen der Unachtsamkeit im Wissenschaftslabor?
Als die Drohne "One" beginnt, Informationen auch auf herkömmlichen Wege über das (freilich beschleunigte) Studieren von Computerdateien aufzunehmen, sehen wir für einen kurzen Moment auf einem Bildschirm die Umrisse verschiedener Raumschiffe, u.a. auch der USS Defiant. Dies ist wohl ein eindeutiger Beweis für die Aktualität und Komplexitiät der Voyager-Datenbanken, bedenkt man, daß die Defiant - ein als geheim klassifiziertes Projekt - erst wenige Monate vor der ersten Mission der Voyager Anfang 2371 (vgl. [DS9] Die Suche I) in Dienst gestellt wurde ...


© 1999-2001 by Star Trek Dimension / Webmaster. Letzte Änderung: 20.01.2001