Allgemeines
Originaltitel |
Once Upon A Time |
Produktionsnummer |
199 |
Erstausstrahlung USA |
04.11.1998 |
Erstausstrahlung BRD |
29.04.2000 |
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Regie |
John Kretchmer |
Drehbuch |
Michael Taylor |
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- Story
Sternzeit 52136.4 |
Naomi Wildman spielt und lernt auf dem Holodeck in
einem Flotter-Märchen. Sie hat gerade einen Streit zwischem dem Wasserwesen Flotter und
dem lebenden Baum Trevis beigelegt, als sie einen Ruf von Neelix empfängt. Ihre Mutter
Samantha, die sich mit Tuvok und Lt. Paris auf einer Außenmission mit dem Delta Flyer
befindet, möchte mit ihr sprechen. Wie es aussieht, wird die Mission ein paar Tage
länger dauern. Als Naomi gegangen ist, erzählt die besorgte Sam Neelix, daß sie
Probleme mit einem Ionensturm haben. Dann bricht das Signal ab. Wenig später trifft ein
Notruf des Delta Flyers bei der Voyager ein. Sie haben Maschinenschaden erlitten, und
wollen eine Notlandung auf einem namenlosen Planetoiden versuchen. Ob ihnen dies gelungen
ist, ob sie noch leben und je von der Voyager gefunden werden können, bleibt unklar. Viel
Arbeit wartet auf die Voyagercrew, doch die unangenehmste Aufgabe fällt Neelix zu: er
muß Naomi erklären, warum der Kontakt zu ihrer Mutter abgebrochen ist. Angesichts seiner
eigenen, traumatischen Kindheitserlebnisse und in Hinblick auf Naomis sensible Natur zieht
er es jedoch vor, ihr die Wahrheit vorzuenthalten und sie in Sicherheit zu wiegen ... |
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- Darsteller
Naomi Wildman |
Scarlett Pomers |
Fähnrich Samantha Wildman |
Nancy Hower |
Flotter T. Water III |
Wallace Langham |
Trevis |
Justin Louis |
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- Bewertung
- Manche Fans mögen "Es war einmal" für eine vollkommen belanglose,
langweilige dreiviertel Stunde Star Trek halten. Doch hat diese Charakterepisode, die
trotz der dominanten Rolle von Neelix vor allem eine (wenn nicht die) Naomi Wildman Folge
ist, Qualitäten auf Gebieten, zu denen Weltraumkämpfe, futuristische Technologien und
heiße Action nun mal nicht zählen.
"Es war einmal" ist statt handlungs- eher psychologisch orientiert, und wählt
dazu einen ungewöhnlichen, wenn auch riskanten Ansatz: sie hält die zugrundeliegende (an
sich ziemlich klischeehafte und unoriginelle) Rahmenhandlung um den Absturz des Delta
Flyers, die schwere Verletzung von Samantha Wildman und die verzweifelte Suche nach den
Vermißten bewußt im Hintergrund, um sich stattdessen ausführlich mit den Reaktionen von
Naomi Wildman und anderen Crewmitgliedern (vor allem natürlich ihr Patenonkel Neelix) auf
diese Ereignisse zu beschäftigen. Daß sich an diesem Konzept, und der entsprechend
emotionalen Umsetzung die Geister scheiden, ist verständlich. Doch "Es war
einmal" ist - trotz des Titels - beileibe keine Kindergeschichte. Die moralische
Grundlage ist hier das Hauptthema und wird subtil in die Handlung eingeflochten. Die
Fragen, die die Episode weniger durch Phrasen denn durch Szenen und Interaktionen
erörtert, beschäftigen sich, in gewisser Weise als Fortführung der exzellenten,
ebenfalls eher auf der psychologischen Ebene angesiedelten Episode "Das Leben nach dem Tod", wiederum mit Wenden im Leben der
Menschen, persönlichem Verlust und der Sterblichkeit allgemein - ob nun in Bezug auf
Naomi angesichts des möglichen Todes ihrer Mutter und des Verschwindens von Flotter auf
dem Holodeck (nach der Verdampfung durch den "Ogre"), auf das Außenteam im
Shuttle in Hinblick auf ihre geringen Rettungsaussichten, oder auf Neelix aufgrund des
Todes seiner Familie vor vielen Jahren. Im Gegensatz zu genannter Episode stehen diesmal
vor allem die Auswirkungen des Verlustes auf die Mitmenschen, und nicht so sehr die
Bedeutung für die unmittelbar Betroffenen selbst (Tuvok, Paris, Samantha im Delta Flyer)
im Vordergrund. Sicher, auch die eigene Sterblichkeit findet notwendigerweise Erwähnung,
wenn in einer mitreißenden Szene Tom und Sam ihre letzten Grüße verschicken, doch auch
hier geht es eher um die Konsequenzen für die anderen, für B'Elanna und Naomi. Statt dem
eigenen Glauben in Bezug auf den Tod werden in "Es war einmal" die Gefühle und
Gedanken der auf dem Schiff Zurückgebliebenen analysiert (mal von Tuvoks eher stoischen
Einstellung und Tom Paris' eigener Vorstellung vom Ende mal abgesehen): Wie reagiert ein
intelligentes Kind im 24. Jahrhundert auf eine Situation, in der ihm die menschliche
Sterblichkeit so unbarmherzig bewußt werden muß? Und noch viel wichtiger: in welcher
Weise agieren die Erwachsenen in ihrer Umgebung? Konfrontieren sie sie schonungslos mit
der Wahrheit, tischen Sie ihr Lügenmärchen auf oder wählen Sie einen
Mittelweg? Dies sind Fragen von allgemeiner Relevanz (zumal der Science Fiction Ansatz der
Rahmenhandlung für die Situation keinerlei Rolle spielt), und damit Star Trek im
eigentlichen, abstrakten Sinne.
Doch beginnen wir mit dem Anfang der Episode, der die Handlung zur Untersuchung des
moralischen Backgrounds hinführt. Hier sehen wir Naomi in vertrautem Umfeld, wie sie ihr
normales Leben lebt: Sie verbringt Zeit mit Neelix, lernt beim Doktor und erlebt Abenteuer
auf dem Holodeck. Zum ersten Mal haben wir überhaupt eine Chance, den Tagesablauf eines
Kindes im 24. Jahrhundert mitzuerleben (mal von den halbherzigen Darstellungen
"modernisierter" Klassenräume bei "ST:TNG"
und "Star Trek: Deep Space Nine" mal abgesehen).
Die Episode zeigt, daß in der Star Trek Zukunft Holodecks und Computer eine große Rolle
spielen, wobei das "Edutainment-Programm" Flotter und seine subtilen,
fortschrittlichen Lernmethoden als futuristisches Element besonders glaubhaft erscheint.
Auch in der Fabelwelt von Flotter (die mit ihrer anfänglich friedlichen Idylle und
plötzlichen Zerstörung eine perfekte Metapher für das parallele Geschehen in der
"realen" Welt des 24. Jahrhunderts darstellen könnte) erleben wir Star Trek
pur: keine autoritäre Gängelei und stures Auswendiglernen, sondern eigenes
Erforschen, Erfahren und Erleben. Ganz von allein wird das Kind durch die Ereignisse im
Szenario zum Nachdenken und zum Ziehen logischer Schlüsse animiert, wobei fast nebenbei
Wissen aufnimmt, z.B. über die allgemeinen Naturgesetze (Aggregatzustände,
Wasserkreislauf usw.) Letztendlich sind aber trotz aller technologischen und
soziologischen Fortschritte die Kinder des 24. Jahrhunderts, so intelligent sie auch sein
mögen (und Naomi ist für ihr Alter wesentlich weiter), doch Kinder mit all
ihren Wünschen und Ängsten und typischen Reaktionsmustern. Das dies auch auf die
Erwachsenen zutrifft, zeigt sich an Neelix nur zu deutlich. Dieser verhält sich
konsistent entsprechend seiner humanistischen Auffassungen und der eigenen Vergangenheit,
wie sie in "Dr. Jetrels Experiment" etabliert
wurde. Er will Naomi nicht jener Situation, jenen Gefühlen aussetzen, die er nach dem Tod
seiner Familie erleben mußte, und glaubt, daß sie - als ein sensibles Kind - mit der
Wahrheit nicht zurechtkommen würde. Er möchte ihre unbefleckte Kindheit nicht
zerstören, und verheimlicht ihr deshalb die wahren Begebenheiten. Somit wird Naomis
richtiges, schon märchenhaft idyllisches Leben endgültig zu einem unwirklichen
Märchen. Es war einmal. Naomi selbst ist es, die diesen Zustand beendet, obwohl von
Anfang an klar war, daß es nicht so weitergehen kann. Neelix will dies nicht wahrhaben,
doch eine (sehr bewegende) Schlüsselszene mit Captain Janeway öffnet ihm die Augen. Man
kann, und darf, die Wahrheit nicht verheimlichen, denn damit betrügt man sich selbst.
Eigentlich weiß Neelix das, wenn er in der Aussprache mit Naomi auf dem Holodeck auch das
letzte Märchen - das vom Schicksal seiner Familie - aufgibt. Das Zurückgreifen auf
Illusionen und Wunschträume bei der Verarbeitung des eigenen Verlusts mag für eine
gewisse Zeit bequem und tröstend sein, stellt aber keine Lösung der Probleme dar und
verschlimmert die Situation am Ende noch - die Symptome werden gelindert, doch die
Auseinandersetzung mit der eigentlichen Ursache wird vermieden. So mußte Neelix
irgendwann aus der Märchenwelt auftauchen und den Verlust seiner Eltern und Geschwister
akzeptieren lernen. Nur so konnte er wieder beginnen, ein normales Leben zu führen, trotz
der schrecklichen Ereignisse. Das wichtigste Ergebnis der Episode in Bezug auf den
persönlichen Verlust ist somit: man muß - bei aller Härte - erkennen, daß das Ende des
anderen nicht das Ende des eigenen Lebens ist und sein darf. Hat man die Angst vor der
Zukunft (Was passiert jetzt, in dieser völlig neuen Situation?) überwunden, wie Sam
ihrer Tochter in ihrer letzten Botschaft rät, kann man auch wieder neuen Mut zum Leben
finden. Sowohl Sam als auch Captain Janeway verdeutlichen weiterhin: Naomi wäre nach dem
Tod ihrer Mutter nicht wirklich allein, da Sie in einem intakten sozialen Umfeld
aufwächst. Sie hat immer noch ihr unbeschwertes Leben auf der Voyager, Freunde, die sich
um sie kümmern, und die Zuwendung ihres Patenonkels Neelix. "Sie wird sich
anpassen", wie Seven sagt. In der Tat - nach der Aussprache hat sich für Naomi die
Situation auf jeden Fall verbessert, da sie nicht länger der Ungewißheit und den daraus
resultierenden Spekulationen über den Tod ihrer Mutter ausgesetzt ist, und die wahre
Sachlage, mit all ihren Chancen und Risiken, kennt. So hat Naomi am Ende, in den
holographischen Trümmern ihres Flotterprogramms, den Mut für einen möglichen Neuanfang
ebenso wie die Hoffnung für einen doch noch glückliches Ausgang wiedergefunden, um die
Krise gemeinsam mit Neelix und den anderen durchzustehen.
Das es trotz dieser Erkenntnisse doch noch zum Happy End kommt (wie es sich für ein
Märchen gehört), ändert nichts an der Relevanz der Episode oder am Gewicht der
dargelegten Argumente. Naomi hat gelernt, daß der Verlust ein unschöner, aber
unabänderlicher Bestandteil unseres Lebens ist, und Neelix weiß nun, daß
"Märchen" im richtigen Leben niemals der Ersatz für die Wahrheit sein können
- und er traut Naomi zu, daß sie mit schwierigen Situationen zurechtzukommen kann, wie er
in der Schlußszene sagt ("Sie kann es bewältigen. Sie ist ein mutiges
Mädchen"). Das positive Finale von "Es war einmal" ist letztlich nur eine
logische Konsequenz des Optimimus, welcher in der in Bezug auf Thematik und Umsetzung so
überzeugenden (wenn auch nicht perfekten) Episode im Stil des Roddenberry'schen Star Trek
natürlich nicht fehlen darf. Wenn Captain Janeway erzählend mit Neelix die wundersame
Szenerie des ewigen Waldes verläßt, wird klar, daß die Geschichte weitergeht. Star Trek
selbst ist letzten Endes nichts weiter als ein unendlich komplexes Märchen, dessen Ende
nicht in Sicht ist, aber dessen positive Auswirkungen auf die aufmerksamen Zuhörer wir
jederzeit feststellen können. Es war einmal ...
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- Zitate
Naomi: "Neelix, beweg dich nicht... die Borgfrau... schau
nicht hin, sonst assimiliert sie dich!" |
Naomi: "Der Doktor redet zuviel... Können wir ihn nicht
neu programmieren oder so etwas in der Art?" |
Neelix: "Will irgendjemand Kaffee?"
Janeway: "Nein danke, noch eine Tasse und ich springe auf
Warp..." |
Doktor: "Stell die Uhr ein paar Milliarden Jahre zurück zu
der Zeit, als sich die ersten Zellen entwickelten. Diese frühen Zellen hatten keine
Mitochondrien. Will irgendjemand Kaffee? Sie kämpften sich ohne sie durch und
behalfen sich mit jeder Energiequelle, die sie finden konnten. Dann, eines Tages traf ein
Vorfahre der Mitochondrien ein, brach durch die Zellwand und machte es sich bequem!"
Naomi: "Sie wurden Freunde?"
Doktor: "Der korrekte Ausdruck ist 'Symbiose'."
Naomi: "Freunde!" |
Naomi: "Meine Mutter sagt, Zusammenarbeit ist besser als
Wettbewerb." |
Tuvok: "Durch Akzeptanz des Unabwendbaren findet man
Frieden."
Paris: "Wenn das ein weiteres vulkanisches Sprichwort ist,
Tuvok, bleibe ich lieber bei 'Lebe lang und in Frieden'." |
Neelix (zu
Naomi): "Ich habe das
dir niemals zuvor erzählt. Aber als ich viel jünger war, verlor ich meine Mutter in
einem schrecklichen Krieg... meinen Vater und meine Schwestern ebenfalls. Es war das
schlimmste, was mir je passiert ist. Fortwährend fragte ich mich: Wie starben sie?
Sorgten sie sich um mich? Könnten Sie noch leben? Ich dachte, wenn ich dich von diesen
Fragen fernhalten könnte, würdest du nicht zu fühlen brauchen, was ich fühlte." |
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- Logbuch
Logbuch des Captains, Nachtrag. Wir haben den Ionensturm überstanden und die Spur des
Delta Flyers bis zu einem Klasse M Planetoiden verfolgt. |
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- Star Trek Datenbank
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- Background
Mit den erstmals vorgestellten Flotter-Hologeschichten scheint "Es war
einmal" der in "Star Trek: The Next Generation"
etablierten Geschichte des Holodecks zu widersprechen. Der Pilotfilm "Der Mächtige" und die allerersten Holodeckepisoden "Der große Abschied" und "10011011"
stellten klar, daß das Holodeck im Jahr 2364 eine brandneue Entwicklung war und die
Enterprise eines der ersten Schiffe ist, die ein solches System besitzen. In dieser
Episode nun spricht Harry davon, wie verrückt er als Kind nach "diesen
Hologeschichten" war - das muß um 2355 gewesen sein, wenn man annimmt, daß Flotter
für Kinder ab 6 Jahren geeignet ist (siehe unten). Weiterhin erkennt Flotter Samantha
Wildman wieder, die wohl als Kind ebenfalls das Programm laufen ließ. Hier ist
zusätzlich unklar, wieso Flotter denkt, daß sie noch klein ist (am Anfang der Episode
wird der Eindruck erweckt, daß Naomi schon öfters mit ihrer Mutter dort war, und sie
wollte ja auch mit ihr ihre Lieblings-Flottergeschichte spielen, sobald sie von der
Außenmission zurück ist.), und wieso das individuelle, alte "Benutzerprofil"
von Samantha als Kind auf der Voyager gespeichert ist. Auf jeden Fall läge bei Samantha
die "Flotter-Zeit" um 2353. Noch viel weiter vorverlegt zu werden scheint die
Holodeck-Entstehung durch Captain Janeways Kommentar am Ende der Story, als sie von ihren
Aktionen im Flotter-Holodeckprogramm im Alter von 6 Jahren erzählt (das wäre um 2341).
Grundsätzlich kann man diese Widersprüchlichkeit damit erklären, daß das Holodeck ja
nicht "über Nacht" erfunden wurde, sondern über einen langen Zeitraum aus mehr
oder weniger interaktiven dreidimensionalen Umgebungssimulationen entstand. Das wird durch
das "ST:TNG Technical Manual", die inoffizielle
Star Trek Zeichentrickserie und andere Backgroundinfos bestätigt. Demnach gab es schon im
23. Jahrhundert holographische Simulatoren, die jedoch keine realistische Erzeugung einer
den Besucher völlig umgebenden, virtuellen Welt erlaubten. Wenn Harry also von
"Hologeschichten" spricht, könnte es sich hier um eine holographische,
Puppentheater-ähnliche, räumlich begrenzte und Aufführung gehandelt haben (vgl. Rikers
"Harfenspielerinnen" aus dem Teaser einer frühen TNG-Folge), die wohl auch
Interaktivität (durch entsprechende Eingaben oder Sprachkommandos) erlaubte, um Janeways
Bemerkung zu rechtfertigen, ohne daß der Zuschauer allerdings wirklich Teil der Holowelt
wäre. Das die Flotter-Märchenwelt tatsächlich nicht auf das Medium Holodeck beschränkt
ist, werden wir übrigens in der 6. Staffel in "Der Spuk von
Deck 12" erfahren. Dort liest Neelix eine konventionelle, nicht-interaktive
Flottergeschichte aus einem Buch vor. |
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