Das war sie nun, die lange geplante,
von den Autoren für die 6. Staffel angekündigte und von den Zuschauern mit gemischten
Gefühlen erwartete Romanze Captain Janeways, bzw. der Beginn derselben.
Dieser ist weit weniger eindeutig zu beurteilen, als ich dies angesichts der
angekündigten Story vermutet hatte: sicher, insgesamt gesehen ist für mich "Fair
Haven" eher mittelmäßig, doch hat die Episode einige interessante Aspekte und
Szenen, die sie über schale, klischeebehaftete und einfach nur langweilige
Beziehungsepisoden wie "Vis
à Vis" oder "Charakterelemente" stellt. Natürlich ist bei diesem Typ
von Episoden, der sich eher um menschliche Charaktere und Probleme dreht denn um Science
Fiction Themen, eine gewisse Subjektivität bei der Bewertung unvermeidlich. So wird
"Fair Haven", seit langer Zeit die erste Voyager-Episode, die von einer (jungen)
Autorin geschrieben wurde, sicher mehr Frauen als Männer ansprechen. Letztere werden der
Episode vor allem einen Punkt ankreiden: "keine Außerirdischen, keine
Raumschiffe", wie Tom Paris es am Anfang erwähnt, nur Fair Haven, ein kleines,
einfaches irisches Dorf des 19. Jahrhunderts, das der amerikanischen Affinität für
Irland Rechnung trägt und (um es mal hart auszudrücken) von einfachen, ländlichen
Charakteren bevölkert wird (die glücklicherweise nicht annähernd so stereotyp sind wie
in [TNG] Planet der Klone). Fair Haven ist (zum Glück) nicht das
einzige Thema dieser Bottleshow, in der die Handlung, ähnlich wie in [TNG] Sherlock Data Holmes, aufgrund einer Pause im "echten
Geschehen" (diesmal durch einen "Neutronensturm") aufs Holodeck verlagert
wurde, bildet aber zumindest den Background für die Beziehung Janeways und spielt damit
eine übergeordnete Rolle. Leider macht genau das "Fair Haven" am Anfang auch so
seicht, öde und langweilig; es fehlt jedwedes Tempo, Spannung oder Wendung, und ohne die
(von vielen als überflüssig bezeichnet) B-Story um den Neutronensturm würde die
Geschichte meiner Ansicht nach noch schlechter dastehen: dann würde es überhaupt keinen
Kontrast zum Szenario "Voyager liegt vor Anker" geben, geschweige denn einen
logischen Grund für die ganze Geschichte (mit Fair Haven als "sicheren Hafen im
Sturm"). Auch so wirkt nämlich die plötzliche "Fair Haven" Versessenheit
der gesamten Crew (außer Tuvok, natürlich) mehr als störend: alle mögen das Programm
und wollen dort ihre ganze Zeit verbringen (anders als in "Nacht", wo die Crew noch individuellen
Freizeitbeschäftigungen nachging), so daß sogar ein "offenes Protokoll" eingeführt
und schließlich sogar noch das zweite Holodeck unter Beschlag genommen wird. Wo ist denn
da die in vielen Episoden proklamierte Einzigartigkeit und Verschiedenheit des Indivuums
geblieben? Jeder hat doch seinen eigenen Geschmack, seine eigene Vorstellung von
"Unterhaltung", so daß Ideen wie das Armdrücken Harrys, die religiösen
"Späße" des Doktors (die ausnahmsweise mal überhaupt nicht komisch sind),
Janeways irischer Volkstanz und Neelix irische "kulinarische Genüsse" einfach
nur unglaubwürdig wirken. Beeinflußt durch diese Probleme, erscheint Janeways
"Liebelei" mit Michael Sullivan ähnlich oberflächlich und uninteressant, was
bei einer früher so komplex und tiefgründig charakterisierten Figur wie Captain Janeway
(im Gegensatz etwa zu Tom Paris, zu dem dieses anachronistische, belanglose Szenario
wirklich vorzüglich paßt) umso schmerzhafter ist. So, wie die Crew des technisierten,
hochentwickelten 24. Jahrhunderts hier fehl am Platze wirkt, ist auch die Beziehung zu dem
eher grobschlächtigen Barkeeper nicht so recht glaubhaft. Zu sehr scheint auch der
neuprogrammierte Sullivan von Janeways früherem Profil (als "Kind des 24.
Jahrhunderts" und hochintelligente, charakterlich komplizierte Wissenschaftlerin)
abzuweichen, das sicher nicht Attraktivität und Literaturverständnis als Hauptkriterium
vorsah. Jedoch - läßt man mal diesen Punkt beiseite und bewertet die Beziehung nicht
nach Details, sondern im Ganzen, gibt es durchaus interessante, charakterkonsistente
Aspekte zu entdecken: anders als in den meisten Episoden und ähnlich wie in "Nacht" sind in "Fair Haven" einmal
klar die Konsequenzen der jahrelangen, isolierten Reise der Voyager auf die Crew und
Captain Janeway zu spüren. Auch wird hier die Veränderung deutlich, die Janeway seit dem
Beginn der Reise im Pilotfilm durchgemacht hat, die sowohl positive als auch negative
Aspekte birgt: die Unsicherheit und das Heimweh sind der Zuversicht und Gelassenheit
gewichen, ihre reservierte, oftmals introvertierte und etwas steife Einstellung hat sich
zu einer ungezwungenen, weltoffenen, manchmal zu emotionalen Haltung gewandelt. Geblieben
ist der Forschungs- und Entdeckungsdrang, aber auch die Einsamkeit. So wird es in
"Fair Haven" mehr als deutlich, daß Janeways letzte "echte" Beziehung
(die mit Mark, dem sie ihrer eigenen Aussage nach nun endgültig nicht mehr nachtrauert)
viele Jahre zurückliegt. Ganz anders, als wir das bei einer so bodenständigen, reifen
Frau wie Captain Janeway erwartet haben, stürzt sie sich wie ausgehungert auf dieses
nicht unproblematische Abenteuer, gibt sich ganz ihren irrationalen Gefühlen hin und
weckt damit Erinnerungen an Harrys romantische Anwandlungen in "Das Generationenschiff". Dies ist überraschend, aber nicht
unbedingt inkonsistent (bis auf die oben genannten Prioritäten bei der Partnerwahl) -
ebensowenig wie die freundschaftlichen Sticheleien von Chakotay, die die Geschichte
angenehm auflockern.
Nichtsdestotrotz wird die Thematik (bzw. Problematik) einer Beziehung Janeways im
Großteil der Episode sehr oberflächlich und eher seifenoper-haft denn argumentativ
behandelt, und erst, nachdem der Captain schon den Schlußstrich gezogen hat, wird die
Sache richtig interessant. Die Rückkehr von Zweifel und Rationaliät bringt den
früheren, reiferen Captain wieder zum Vorschein, und dementsprechend wird auch die
Episode nachdenklicher und tiefgründiger: die "Beichte" Janeways im Gespräch
mit dem Doktor im Korridor bildet hier sicherlich den Höhepunkt der Episode. Kann ein
Captain, der doch "eine gewisse Genialität besitzen muß und sich von seiner Crew
der Disziplin wegen zu isolieren hat "(Picards Kredo und auch Captain Janeways
Meinung zu Beginn der Reise), überhaupt eine permanente Beziehung führen? Exemplarisch
führt der Doktor die Möglichkeiten an, über die auch schon die Zuschauer und Autoren
oftmals nachgedacht haben, und offenbart damit die Problematik, der sich ein
Raumschiffcaptain ausgesetzt sieht: durch ein Verhältnis mit einem
"Untergebenen" unterminiert er die Hierarchie und verliert seine Objektivität,
was Schiff und Crew gefährden kann (die Unmöglichkeit dieser Option zeigte [TNG] Der Feuersturm klar auf), eine Beziehung zu einem
"Alien der Woche" ist erst recht undenkbar, sofern man ihn nicht als neues
permanentes Crewmitglied willkommen heißen oder auf den Captain dauerhaft verzichten will
(in abgewandelter Form in "Das
Generationenschiff"
gezeigt). Eine Beziehung mit einem Hologramm wirkt da am verträglichsten mit den
Dienstvorschriften, und doch führt sie zu zahlreichen Problemen, wie "Fair
Haven" zeigt: nicht Crew oder Schiff betrügt man in diesem Fall, sondern sich selbst.
Der "perfekte Partner", wie man ihn sich wünscht, ist dank der beliebig
modifizierbaren Holosubroutinen nur eine Nanosekunde entfernt. Was ist daran falsch,
mögen manche fragen. Als unvollkommenes Wesen wird der Mensch Harmonie und Idylle immer
als Abweichung vom Normalzustand empfinden. So erscheint ein unnatürlich perfekter
Partner jedem als Illusion - auch Captain Janeway. In diesem speziellen Fall ist es aber
noch gravierender, daß das eigentlich gegebene gleichberechtigte, auf Toleranz,
Verständnis und gegenseitigen Zugeständnissen aufgebaute Miteinander nicht mehr möglich
ist. Eine Auseinandersetzung mit den Problemen wird aus dem Weg gegangen, und die
Anderartigkeit wird nicht akzeptiert bzw. schätzen gelernt, sondern nivelliert. Das ist
dann wirklich keine Beziehung von Mann und Frau mehr, sondern von Mensch und Hologramm -
und trotz der realen Gefühle erscheint das ganze künstlich, unwirklich und unecht. Nicht
die Illusion eines vom Computer aus Photonen und Kraftfeldern erzeugten Hologramms ist das
Problem, wie der Doktor klarstellt, sondern die Illusion einer konstruierten, auf die
eigenen Bedürfnisse perfekt abgestimmten Beziehung. Die Unvorhersehbarkeit, die
"Ecken und Kanten", sind somit Bedingungen für eine funktionierende Beziehung,
und ohne Differenzen, ohne Unterschiede (die die Indivualität nun mal ausmachen) ist das
ganze genauso unglaubwürdig und langweilig, wie es uns in der ersten Hälfte von
"Fair Haven" gezeigt wurde. Den Preis für den Selbstbetrug bezahlte Captain
Janeway anschließend selbst, als sie ihre vermeintlich falschen Gefühle für ein
"Ding" leugnete und unterdrückte. Betrachtet man die Gründe für ihre
Schritte, war es letzten Endes doch die für sie typische Unsicherheit, ihr Bedürfnis
nach Kontrolle, Harmonie und Sicherheit, das gerade in diesem Fall ihr Handeln bestimmte
und sie die "Grundregeln" vergessen ließ. Nach jahrelanger Einsamkeit und
zahlreichen Rückschlägen (etwa der endgültigen Gewißheit über Mark in "Jäger") wollte sie einfach einen
garantierten Erfolg - doch den gibt es im wahren Leben einfach nicht. Die letzte
Szene zeigt, daß Janeway das erkannt hat und beherzigen wird - wobei die Frage nach einer
Wiederaufnahme der (jetzt nicht mehr vorhersehbaren) Beziehung zu Sullivan offen gelassen
wird.
Leider nimmt der im letzten Abschnitt untersuchte, tiefgründige Teil der Charakteranalyse
und allgemeingültigen, zum Nachdenken anregenden Darstellung des menschlichen Wesens
gerademal fünfzehn Minuten der Episode ein - zu wenig für eine Dreiviertelstunde Star
Trek, zu wenig in einer Folge, die insgesamt nur sehr wenig die Möglichkeiten der Science
Fiction nutzt. So ist der letzte Teil von "Fair Haven" meiner Meinung nach
wirklich sehens- und empfehlenswert, doch für diese erstklassigen Szenen muß der
Zuschauer in der ersten halben Stunde relativ viel Geduld und Durchhaltevermögen
aufbringen.
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