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130. Fair Haven



Allgemeines
Originaltitel Fair Haven
Produktionsnummer 231
Erstausstrahlung USA 12.01.2000
Erstausstrahlung BRD 2001
 
Regie Allan Kroeker
Drehbuch Robin Burger
 
Story
Als die Voyager für mehrere Tage durch auftreffende Partikelwellenfronten an einem Weiterflug gehindert wird, hilft ein von Tom Paris geschriebenes Holodeckprogramm der Crew, sich zu entspannen und auf andere Gedanken zu kommen. Das Programm stellt das ländliche Leben in "Fair Haven" dar, einer kleinen Stadt im Irland des ausgehenden 19. Jahrhunderts, die die Besatzung als Hafen der Ruhe und Besinnung sofort ins Herz geschlossen hat. Auf Neelix Bitte beschließt Captain Janeway ein Durchgangsprotokoll, das das Programm 24 Stunden am Tag aktiviert läßt, und schließt sich ihren Offizieren an. Im "Sullivan's" trifft sie Michael, den warmherzigen Barkeeper des Gasthauses. Obwohl sie weiß, daß er nur ein Hologramm ist, spricht sie Michaels offenherzige Art sofort an und sie fühlt sich auf merkwürdige Weise von ihm angezogen. Janeway kehrt bald darauf zu ihm zurück, und die verlockende Möglichkeit, Michael mit Hilfe der Holodeckroutinen zu einem perfekten Partner zu machen, lassen Sie alle Probleme vergessen, die sich aus einer Beziehung mit einer programmierbaren Illusion ergeben könnten ...
 
Darsteller
Michael Sullivan Fintan McKeown
Seamus Richard Riehle
 
Bewertung
Das war sie nun, die lange geplante, von den Autoren für die 6. Staffel angekündigte und von den Zuschauern mit gemischten Gefühlen erwartete Romanze Captain Janeways, bzw. der Beginn derselben.
Dieser ist weit weniger eindeutig zu beurteilen, als ich dies angesichts der angekündigten Story vermutet hatte: sicher, insgesamt gesehen ist für mich "Fair Haven" eher mittelmäßig, doch hat die Episode einige interessante Aspekte und Szenen, die sie über schale, klischeebehaftete und einfach nur langweilige Beziehungsepisoden wie "
Vis à Vis" oder "Charakterelemente" stellt. Natürlich ist bei diesem Typ von Episoden, der sich eher um menschliche Charaktere und Probleme dreht denn um Science Fiction Themen, eine gewisse Subjektivität bei der Bewertung unvermeidlich. So wird "Fair Haven", seit langer Zeit die erste Voyager-Episode, die von einer (jungen) Autorin geschrieben wurde, sicher mehr Frauen als Männer ansprechen. Letztere werden der Episode vor allem einen Punkt ankreiden: "keine Außerirdischen, keine Raumschiffe", wie Tom Paris es am Anfang erwähnt, nur Fair Haven, ein kleines, einfaches irisches Dorf des 19. Jahrhunderts, das der amerikanischen Affinität für Irland Rechnung trägt und (um es mal hart auszudrücken) von einfachen, ländlichen Charakteren bevölkert wird (die glücklicherweise nicht annähernd so stereotyp sind wie in [TNG] Planet der Klone). Fair Haven ist (zum Glück) nicht das einzige Thema dieser Bottleshow, in der die Handlung, ähnlich wie in [TNG] Sherlock Data Holmes, aufgrund einer Pause im "echten Geschehen" (diesmal durch einen "Neutronensturm") aufs Holodeck verlagert wurde, bildet aber zumindest den Background für die Beziehung Janeways und spielt damit eine übergeordnete Rolle. Leider macht genau das "Fair Haven" am Anfang auch so seicht, öde und langweilig; es fehlt jedwedes Tempo, Spannung oder Wendung, und ohne die (von vielen als überflüssig bezeichnet) B-Story um den Neutronensturm würde die Geschichte meiner Ansicht nach noch schlechter dastehen: dann würde es überhaupt keinen Kontrast zum Szenario "Voyager liegt vor Anker" geben, geschweige denn einen logischen Grund für die ganze Geschichte (mit Fair Haven als "sicheren Hafen im Sturm"). Auch so wirkt nämlich die plötzliche "Fair Haven" Versessenheit der gesamten Crew (außer Tuvok, natürlich) mehr als störend: alle mögen das Programm und wollen dort ihre ganze Zeit verbringen (anders als in "Nacht", wo die Crew noch individuellen Freizeitbeschäftigungen nachging), so daß sogar ein "offenes Protokoll" eingeführt und schließlich sogar noch das zweite Holodeck unter Beschlag genommen wird. Wo ist denn da die in vielen Episoden proklamierte Einzigartigkeit und Verschiedenheit des Indivuums geblieben? Jeder hat doch seinen eigenen Geschmack, seine eigene Vorstellung von "Unterhaltung", so daß Ideen wie das Armdrücken Harrys, die religiösen "Späße" des Doktors (die ausnahmsweise mal überhaupt nicht komisch sind), Janeways irischer Volkstanz und Neelix irische "kulinarische Genüsse" einfach nur unglaubwürdig wirken. Beeinflußt durch diese Probleme, erscheint Janeways "Liebelei" mit Michael Sullivan ähnlich oberflächlich und uninteressant, was bei einer früher so komplex und tiefgründig charakterisierten Figur wie Captain Janeway (im Gegensatz etwa zu Tom Paris, zu dem dieses anachronistische, belanglose Szenario wirklich vorzüglich paßt) umso schmerzhafter ist. So, wie die Crew des technisierten, hochentwickelten 24. Jahrhunderts hier fehl am Platze wirkt, ist auch die Beziehung zu dem eher grobschlächtigen Barkeeper nicht so recht glaubhaft. Zu sehr scheint auch der neuprogrammierte Sullivan von Janeways früherem Profil (als "Kind des 24. Jahrhunderts" und hochintelligente, charakterlich komplizierte Wissenschaftlerin) abzuweichen, das sicher nicht Attraktivität und Literaturverständnis als Hauptkriterium vorsah. Jedoch - läßt man mal diesen Punkt beiseite und bewertet die Beziehung nicht nach Details, sondern im Ganzen, gibt es durchaus interessante, charakterkonsistente Aspekte zu entdecken: anders als in den meisten Episoden und ähnlich wie in "Nacht" sind in "Fair Haven" einmal klar die Konsequenzen der jahrelangen, isolierten Reise der Voyager auf die Crew und Captain Janeway zu spüren. Auch wird hier die Veränderung deutlich, die Janeway seit dem Beginn der Reise im Pilotfilm durchgemacht hat, die sowohl positive als auch negative Aspekte birgt: die Unsicherheit und das Heimweh sind der Zuversicht und Gelassenheit gewichen, ihre reservierte, oftmals introvertierte und etwas steife Einstellung hat sich zu einer ungezwungenen, weltoffenen, manchmal zu emotionalen Haltung gewandelt. Geblieben ist der Forschungs- und Entdeckungsdrang, aber auch die Einsamkeit. So wird es in "Fair Haven" mehr als deutlich, daß Janeways letzte "echte" Beziehung (die mit Mark, dem sie ihrer eigenen Aussage nach nun endgültig nicht mehr nachtrauert) viele Jahre zurückliegt. Ganz anders, als wir das bei einer so bodenständigen, reifen Frau wie Captain Janeway erwartet haben, stürzt sie sich wie ausgehungert auf dieses nicht unproblematische Abenteuer, gibt sich ganz ihren irrationalen Gefühlen hin und weckt damit Erinnerungen an Harrys romantische Anwandlungen in "Das Generationenschiff". Dies ist überraschend, aber nicht unbedingt inkonsistent (bis auf die oben genannten Prioritäten bei der Partnerwahl) - ebensowenig wie die freundschaftlichen Sticheleien von Chakotay, die die Geschichte angenehm auflockern.
Nichtsdestotrotz wird die Thematik (bzw. Problematik) einer Beziehung Janeways im Großteil der Episode sehr oberflächlich und eher seifenoper-haft denn argumentativ behandelt, und erst, nachdem der Captain schon den Schlußstrich gezogen hat, wird die Sache richtig interessant. Die Rückkehr von Zweifel und Rationaliät bringt den früheren, reiferen Captain wieder zum Vorschein, und dementsprechend wird auch die Episode nachdenklicher und tiefgründiger: die "Beichte" Janeways im Gespräch mit dem Doktor im Korridor bildet hier sicherlich den Höhepunkt der Episode. Kann ein Captain, der doch "eine gewisse Genialität besitzen muß und sich von seiner Crew der Disziplin wegen zu isolieren hat "(Picards Kredo und auch Captain Janeways Meinung zu Beginn der Reise), überhaupt eine permanente Beziehung führen? Exemplarisch führt der Doktor die Möglichkeiten an, über die auch schon die Zuschauer und Autoren oftmals nachgedacht haben, und offenbart damit die Problematik, der sich ein Raumschiffcaptain ausgesetzt sieht: durch ein Verhältnis mit einem "Untergebenen" unterminiert er die Hierarchie und verliert seine Objektivität, was Schiff und Crew gefährden kann (die Unmöglichkeit dieser Option zeigte
[TNG] Der Feuersturm klar auf), eine Beziehung zu einem "Alien der Woche" ist erst recht undenkbar, sofern man ihn nicht als neues permanentes Crewmitglied willkommen heißen oder auf den Captain dauerhaft verzichten will (in abgewandelter Form in "Das Generationenschiff" gezeigt). Eine Beziehung mit einem Hologramm wirkt da am verträglichsten mit den Dienstvorschriften, und doch führt sie zu zahlreichen Problemen, wie "Fair Haven" zeigt: nicht Crew oder Schiff betrügt man in diesem Fall, sondern sich selbst. Der "perfekte Partner", wie man ihn sich wünscht, ist dank der beliebig modifizierbaren Holosubroutinen nur eine Nanosekunde entfernt. Was ist daran falsch, mögen manche fragen. Als unvollkommenes Wesen wird der Mensch Harmonie und Idylle immer als Abweichung vom Normalzustand empfinden. So erscheint ein unnatürlich perfekter Partner jedem als Illusion - auch Captain Janeway. In diesem speziellen Fall ist es aber noch gravierender, daß das eigentlich gegebene gleichberechtigte, auf Toleranz, Verständnis und gegenseitigen Zugeständnissen aufgebaute Miteinander nicht mehr möglich ist. Eine Auseinandersetzung mit den Problemen wird aus dem Weg gegangen, und die Anderartigkeit wird nicht akzeptiert bzw. schätzen gelernt, sondern nivelliert. Das ist dann wirklich keine Beziehung von Mann und Frau mehr, sondern von Mensch und Hologramm - und trotz der realen Gefühle erscheint das ganze künstlich, unwirklich und unecht. Nicht die Illusion eines vom Computer aus Photonen und Kraftfeldern erzeugten Hologramms ist das Problem, wie der Doktor klarstellt, sondern die Illusion einer konstruierten, auf die eigenen Bedürfnisse perfekt abgestimmten Beziehung. Die Unvorhersehbarkeit, die "Ecken und Kanten", sind somit Bedingungen für eine funktionierende Beziehung, und ohne Differenzen, ohne Unterschiede (die die Indivualität nun mal ausmachen) ist das ganze genauso unglaubwürdig und langweilig, wie es uns in der ersten Hälfte von "Fair Haven" gezeigt wurde. Den Preis für den Selbstbetrug bezahlte Captain Janeway anschließend selbst, als sie ihre vermeintlich falschen Gefühle für ein "Ding" leugnete und unterdrückte. Betrachtet man die Gründe für ihre Schritte, war es letzten Endes doch die für sie typische Unsicherheit, ihr Bedürfnis nach Kontrolle, Harmonie und Sicherheit, das gerade in diesem Fall ihr Handeln bestimmte und sie die "Grundregeln" vergessen ließ. Nach jahrelanger Einsamkeit und zahlreichen Rückschlägen (etwa der endgültigen Gewißheit über Mark in "Jäger") wollte sie einfach einen garantierten Erfolg - doch den gibt es im wahren Leben einfach nicht.  Die letzte Szene zeigt, daß Janeway das erkannt hat und beherzigen wird - wobei die Frage nach einer Wiederaufnahme der (jetzt nicht mehr vorhersehbaren) Beziehung zu Sullivan offen gelassen wird.
Leider nimmt der im letzten Abschnitt untersuchte, tiefgründige Teil der Charakteranalyse und allgemeingültigen, zum Nachdenken anregenden Darstellung des menschlichen Wesens gerademal fünfzehn Minuten der Episode ein - zu wenig für eine Dreiviertelstunde Star Trek, zu wenig in einer Folge, die insgesamt nur sehr wenig die Möglichkeiten der Science Fiction nutzt. So ist der letzte Teil von "Fair Haven" meiner Meinung nach wirklich sehens- und empfehlenswert, doch für diese erstklassigen Szenen muß der Zuschauer in der ersten halben Stunde relativ viel Geduld und Durchhaltevermögen aufbringen.
13.01.2000

 
Zitate
Tuvok: "Ich erfahre einen leichten Verlust des Gleichgewichtes und gastrointestinale Übelkeit."
Seven: "Vielleicht sollten sie die Krankenstation aufsuchen."
Tuvok: "Mir geht es gut."
[...]
Neelix: "Aber die Lamm-Innereien zu replizieren - das könnte schwierig werden. Und jedesmal, wenn ich das Blut erhitze, gerinnt es in der Milch."
Tuvok: "Ich denke, Ich werde doch den Doktor aufsuchen."
Tuvok: "Das könnte Raumkrankheit vor kurzem erklären. Die vulkanische Physiologie ist sehr empfindlich gegenüber Neutronengradienten. "
Paris: "Sie würden ein gutes Barometer abgeben, Tuvok! Jedes Mal, wenn ihnen übel wird, lösen wir roten Alarm aus."
Seven: "Ich besitze eine überlegene Hand-Augen-Koordination."
Seamus: "Das ist nicht alles, was überlegen ist."
Seven: "Spezifizieren Sie."
Seamus: "Die Fülle ihrer Lippen und die Blässe ihrer Wangen - das ist genug, um einen Mann schwach werden zu lassen."
Doktor: "Ein Hologramm könnte die einzige logische Alternative sein."
Janeway: "Er ist nicht real."
Doktor: "Er ist so real wie ich es bin. Photonen und Kraftfelder, Fleisch und Blut - es ist alles dasselbe, solange ihre Gefühle real sind."
 
Logbuch des Captains
Persönliches Logbuch des Captains. Es ist zehn Stunden her, seit uns der Sturm getroffen hat. Wir gehen von drei weiteren Tagen aus, bevor wir frei davon sind. Die Crew ist bei guter Laune, und viele von ihnen haben die Gelegenheit wahrgenommen, Fair Haven zu besuchen. Ich habe dort einen interessanten Mann getroffen, und für eine Weile habe ich fast vergessen, daß er ein Hologramm war. Wir paßten nicht gerade zusammen. Außerdem hat Mr. Paris ihn nicht nach meinen Spezifikationen programmiert.
 
Star Trek Datenbank
Eine Klasse 9 Neutronen-Wellenfront entsteht wahrscheinlich durch die Kollision zweier Neutronensterne. Die Partikeldichtenanomalie, Borgklassifikation 34792, breitet sich mit hoher Unterlichtgeschwindigkeit (200,000 km/s) im Raum aus und hat eine Höhe von mehreren Lichtjahren, so daß ein Umfliegen meistens nicht mehr möglich ist. Raumschiffe sollten deshalb alle Energie in die Schilde leiten und ein umgekehrtes Warpfeld initiieren, um quasi "einen Anker" im Subraum zu werfen, eine Gegenkraft zur Wellenfront auszuüben und damit ein Mitgerissenwerden und Außerkontrollegeraten des Schiffes zu verhindern.
Vulkanier reagieren sehr empfindlich auf einen erhöhten Neutronengradienten, wie er bei Neutronen-Wellenfronten vorkommt. Die Symptome sind der Raumkrankheit nicht unähnlich: Verlust des Gleichgewichtsinns und gastrointestinale Übelkeit. Die Behandlung der Symptome ist möglich, der Ausbruch der Krankheit kann jedoch durch Anpassen der Schildmodulation an den Gradienten ganz verhindert werden.
 
Background
 

 

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