"Rätsel" - eine Episode
mit einem passenden Titel, denn eine Einschätzung fällt schwer. Waren die
Charakterepisoden über Seven, B'Elanna und den Doktor ausnahmelos exzellent und die
vorherige Episode über Tom Paris "gut", aber längst nicht perfekt, liegt diese
Tuvok-Geschichte irgendwo dazwischen. Es geht wiederum um die Frage nach der Identität,
das bewährte und vielleicht beste Star Trek Thema, gerade, wenn es um (nicht-menschliche)
Charaktere geht. Naturgemäß sind Charakterepisoden über Tuvok, oder jeden anderen
Vulkanier, eine schwierige Sache, nicht, weil es ihnen an Persönlichkeit mangeln würde,
sondern, weil ihnen die Ecken und Kanten sind. So zeichnet sich "Rätsel" durch
eine bemerkenswerte Konsistenz in der Betrachtung von Tuvoks Leben aus (Kalto, Orchideen,
die vulkanische Laute, seine Zeit an der Sternenflottenakademie), aber muß einen
Kunstgriff benutzen (die "Amnesie" Tuvoks), um etwas neues aus dem nur allzu
bekannten Charakter herauszuholen. Dieser Kunstgriff ist auch eine der Kritikpunkte der
Episode, erstens, weil er an Tuvok nicht zum ersten Mal angewendet wurde, um ihn von einer
anderen Seite zu zeigen ("Tuvix" in der zweiten Staffel war sogar so
radikal, das "odd couple" Tuvok und Neelix, das auch "Rätsel in der
Mittelpunkt stellt, zu einer neuen Person zu verschmelzen), und zweitens, weil er den
"Resetknopf" am Ende der Folge zwangsläufig erforderlich macht. So leidet
"Rätsel" an denselben Problemen wie "Tuvix" - die Bildschirm-Zeit für den
"neuen" Tuvok ist einfach zu knapp bemessen, als das der Zuschauer dessen
Aufgabe zugunsten des "alten" Ichs auch nur ein wenig dramatisch empfindet.
Sicherlich ist hier auch die relativ gleichmäßige Balance zwischen den beiden
Handlungssträngen nicht gerade zuträglich - freilich gehört die Suche nach den Ba'neth
mit zu den Rätseln der Geschichte, doch hätte sie zugunsten ein paar mehr Momente mit
Tuvok und Neelix zurückgeschraubt werden sollen. Denn letzteres ist die große Stärke
der Episode - sie bringt die beiden "Kontrahenten", die so völlig
unterschiedliche, ja sogar entgegengesetzt Philosophien haben und deshalb nicht unbedingt
als die besten Freunde zu bezeichnen waren, nicht körperlich (wie in "Tuvix") sondern geistig zusammen, so daß
Neelix nach so vielen vergeblichen Versuchen, eine Erwiderung seiner positiven Gefühle
für Tuvok zu provozieren, die lediglich eine "Tolerierung" zum Ergebnis hatten
(und selbst das erst in "Die
Asteroiden" in der 3.
Staffel), nun endlich für eine begrenzte Zeit Erfolg hat. Sicherlich sind es die
gemeinsamen Erlebnisse dieser plötzlich "verwandten Seelen", die in
"Rätsel" begeistern, doch auch die Bewertung von Tuvoks "vita nuova",
seinem neuen Leben, ist mehr als interessant. Versucht er anfangs noch, seinen alten
Status wiederzuerlangen und seinem alten Wesen gerecht zu werden, beginnt er im Laufe der
Episode zu erkennen (ebenso wie Neelix, der ihn bei seinen Versuchen unterstützt), das
sich seine Identität nicht durch Vergangenes, sondern durch seine Taten im Hier und Jetzt
definiert, das er einen Schlußstrich ziehen und sich so akzeptieren muß, wie er jetzt
ist. Für Tuvok, der trotz seiner vulkanischen Fortschrittlichkeit doch immer recht starr
an altbewährten Traditionen festhielt, ist das ein beachtlicher Schritt. Leider ist
dieser moralische Aspekt, die Suche nach einer neuen Identität, längst nicht so
vordergründig wie etwa in "Die Barke der Toten", und sie ist, das ist von anfang an klar, zum Scheitern verdammt.
Am Ende kehrt der alte Tuvok zurück, unfähig, sein "altes neues" Leben
fortzuführen und irgendwelche der so liebgewonnen Emotionen auszudrücken. Allenfalls auf
Neelix hat die ganze Entwicklung in der Episode einen stärkeren Einfluß - er erkennt,
das er trotz fehlender äußerer Anzeichen in Tuvoks Innerem immer ein geschätzter Freund
sein wird und somit nicht mehr "mit dem Kopf durch die Wand" eine Änderung
seines Verhaltens erzwingen muß,, was sich sicher positiv auf die Beziehung zwischen den
beiden auswirken wird. Umgekehrt scheint auch für Tuvok zwar nicht sein Wesen, aber doch
sein Verhältnis zu Neelix am Ende eine gewisse Entspannung zu zeigen, trotz seiner Logik,
die eine solche Handlungsweise eigentlich verbietet. Die Schlußszene deutet es damit noch
einmal an - Tuvok selbst ist das Rätsel, zu dem Neelix, dank der gesammelten
Erkenntnisse, nun zumindest ein paar Anhaltspunkte hat. Letztendlich kann man die Episode
als gut durchdacht und elegant umgesetzt beschreiben, die aber naturgemäß weder ein
Durchbruch für Tuvok noch eine außergewöhnliche Geschichte sein kann.
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